
Der vietnamesische Kaffee
Von 1887 bis 1954 war Vietnam Teil von Französisch-Indochina, einer französischen Kolonie, zu der auch Laos und Kambodscha gehörten. Auch noch sieben Jahrzehnte sind die Spuren der französischen Kolonialisierung allgegenwärtig. Neben Baguette und französischer Kolonialarchitektur ist die vietnamesische Kaffeekultur eines der vielen Hinterlassenschaften der Franzosen.
Kaffee gehört bei den meisten Menschen in Vietnam zur Lebenskultur. Das Land ist aktuell hinter Brasilien der zweitgrößte Kaffeeproduzent der Welt.
Die Geschichte der vietnamesischen Kaffeekultur
Kaffee wurde 1857 von einem katholischen, französischen Priester nach Vietnam eingeführt, der einen Arabica-Baum mitbrachte. Kaffee wurde daraufhin zuerst in den nördlichen Provinzen Ninh Binh, Thanh Hoa und Nghe An angebaut. Dies allerdings zunächst mit mäßigem Erfolg. Mit der Zeit zog man für die Kaffeeproduktion gen Süden, in die Hochländer Vietnams, wo auch Tee, Kautrschuk und Seide produziert wird. Wie überall auf der Welt war Kaffee zuerst der sozialen Oberschicht, Offizieren und einigen einflussreichen Stadtmenschen vorbehalten. Erst später, als sich die Kaffeeproduktion in den südlichen tropischen Landesteilen ausbreitete, wurde Kaffee zur erschwinglichen Massenware und zu einem beliebten Getränk unter den Einheimischen. Seither ist Kaffee ein Teil der vietnamesischen Lebensart. 1950 wurde eine kommerzielle Verarbeitungsanlage errichtet und Vietnam avancierte zu Asiens größtem Kaffeeproduzenten. Die Produktion verlangsamte sich während des Vietnamkriegs in den 1970er Jahren. Aber dank der Wirtschaftsreformen von 1986 öffnete sich Vietnam wieder für den Handel und die vietnamesische Kaffeekultur blühte erneut auf. In den 90er Jahren stieg Vietnam zum zweitgrößten Kaffeeexporteur der Welt auf.
Zurück zu den Franzosen, die den Grundstein für die gesamte lokale Kaffeekultur legten. Dazu gehört auch die Art, den Kaffee zuzubereiten. Dies geschieht typischerweise mittels Phin. Den „Ca Phe Phin“ bevorzugen die meisten Einheimischen. Dabei handelt es sich um einen Tassenaufsatz, mit dem letztlich eine Pour-over Kaffeevariante kreiert wird. Das Pulver wird dabei zwischen zwei Siebplättchen gehalten, während das Wasser hindurch in die Tasse tropft. Den Kaffee tropfen zu hören oder sogar die Tropfen zu zählen, gehört zur Kultur der lokalen Kaffeetrinker. Gern wird die Kaffeetasse in eine Schüssel mit kochendem Wasser gestellt. So wird sichergestellt, dass er von Anfang bis Ende warm bleibt.
Auch die Tatsache, dass in Vietnam lieber Kondensmilch statt normaler Milch in den Kaffee gerührt wird, ist ein französisches Erbe. Im 19. Jahrhundert war es viel schwieriger, Milch über weite Strecken zu transportieren, ohne dass sie verdirbt. Gesüßte Kondensmilch war haltbarer und somit eine naheliegende Alternative. Die Vorliebe für süßen Kaffee ist bis heute geblieben.
Auch wenn Vietnam eher für die Produktion der Robusta-Bohnen bekannt ist, werden hier natürlich auch hochwertige Arabica-Sorten kultiviert.
Wachstumsbedingungen und Anbaugebiete
Getreu seinem Namen ist Robusta eine robuste Kaffeesorte. Sie ist einfacher zu züchten und widersteht Krankheiten wie dem Kaffeerost besser. Im Vergleich zu Arabica schmeckt sie schärfer und bitterer. Sie enthält auch mehr Koffein, hat aber einen geringeren Säuregehalt und mehr Antioxidantien. Noch heute sind über 90% der vietnamesischen Kaffeebohnen Robusta. Vietnam trägt zu über 40 % der weltweiten Robusta-Produktion bei.
Die sogenannte „rote Erde“ in den Regionen Lam Dong, Dak Lak, Dak Nong oder Pleiku ist für den Kaffeeanbau bestens geeignet. Diese Regionen befinden sich im zentralen Hochland von Vietnam beziehungsweise eher im Süden des Landes. Hier unterscheidet sich das Klima von anderen Teilen des Landes, da ein Großteil des Gebiets in größerer Höhe liegt. Durch die Kombination aus Bergen, Sonnenschein, Regen und guten Bodenbedingungen gedeihen hier sowohl Robusta- als auch Arabica-Bohnen.

Copyright: TeeFarm / pixabay.com
Aufbereitung und Qualität
Traditionell wird der Kaffee trocken / natürlich verarbeitet. Leider ist dieser Prozess stark wetterabhängig und führt nur dann zu hochwertigem Kaffee, wenn die Bedingungen stimmen und zusätzlich auch noch Qualitätskontrollen durchgeführt werden. Der für Robusta gezahlte Preis rechtfertigt jedoch normalerweise nicht die Investition von Arbeitskräften in eine hochwertige natürliche Verarbeitung mit Auslese. Stattdessen wird reifer und unreifer Kaffee oft komplett gepflückt und unsortiert nach Mängeln auf Planen zum Trocknen in der Sonne ausgebreitet. Das liegt teilweise auch an schlechter Logistik, wenig Know How und an einem Mangel an Technologie. Viele Bauern arbeiten in Eigeninitiative an der Verbesserung dieser Verarbeitungsmethoden, testen unterschiedliche Nass- und Hybridtechniken und experimentieren mit Enzymen zur Fermentation, um letztlich einen hochwertigeren Kaffee zu entwickeln.
Geschmackseigenschaften
Vietnam baut hauptsächlich Robusta-Kaffee an. Robusta-Bohnen werden grundsätzlich als weniger hochwertig als Arabica-Bohnen angesehen und sind bekannt für ihren signifikant hohen Koffeingehalt und ihr bitteres Profil. Vietnamesische Kaffees weisen oft erdige/holzige Noten auf und werden als flach und ohne Süße beschrieben. Allerdings steigt die Produktion von höherwertigem Arabica-Kaffee weiter an. Die Arabicas aus Vietnam weisen oft schokoladige und würzige Noten auf, die auch eine leichte Honigsüße oder zarte Karamel- und Vanillienoten mitbringen können.

Röstprofile vietnamesischer Kaffees
Auch hier schlägt die französische Vergangenheit durch. Vietnamesischer Kaffee wird seit jeher dunkel geröstet, wodurch er intensiver wird. Röster von Spitzenkaffees nehmen diese Tradition heute auf und rösten ihre vietnamesischen Kaffees recht lange, schonend und bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen, um jeglichen Abbau von Ölen und Zucker sowie eine schnelle Oxidation, die durch das Rösten entsteht, zu umgehen. Das Ergebnis ist eine vollmundigere und gleichmäßigere Röstung, die man nicht mit verbranntem Kaffee in Verbindung bringt.
Der „normale“ mitteleuropäische Gaumen bevorzugt einen Medium-Roast für vietnamesischen Kaffee. Da er teilweise oder vollständig aus Robustabohnen besteht, wirkt er von Hause aus stärker und verleiht Deinem Getränk auch so schon einen dunkleren Geschmack.
Traditionell rösten die einheimischen Produzenten vietnamesische Kaffeebohnen in einem karamellartigen Öl (mit Zucker, Vanille, Kakao oder sogar Whisky), um ihnen eine süße Beschichtung und einen einzigartigen Geschmack zu verleihen. Heutzutage verwenden die meisten Röster Butteröl, weshalb Kaffee in Vietnam manchmal eine ölige Textur haben kann.
Die besten Zubereitungsmethoden für vietnamesischen Kaffee
Siebträger
In einen zünftigen Espresso gehört zumindest ein Teil Robusta. Hast Du einen Single Estate oder einen Blend mit vietnamesichen Wurzeln, dann lässt er sich prima im Siebträger verarbeiten. Aeropress und Herdkanne
Du hast keine Espressomaschine? Dann kannst Du auch eine Aeropress- oder Herdkanne verwenden. Hier sind etwas Fingerspitzengefühl oder Experimente gefragt, denn das Ergebnis kann positiv, aber auch negativ überraschen.
Phin und Handfilter
Der vietnamesische Phin oder Phin-Filter ist die in Vietnam am weitesten verbreitete und beliebteste Methode zum Zubereiten von Kaffee. Wenn Du mit einen Hario V60 oder einer French Press umgehen kannst, dann stellt Dich der Phin-Filter auch nicht vor größere Herausforderungen. Probiere es aus.
ZUR ÜBERSICHT |